Nicht erst seit dem Mord an George Floyd durch einen us-amerikanischen Polizisten im Jahr 2020 wird auch vermehrt in Deutschland über den richtigen Umgang mit wiederkehrenden ,Einzelfällen’ diskutiert. Während viele sich eine Welt ohne Polizei kaum vorstellen können, beharren andere auf einer grundsätzlichen Kritik an der Polizei, die sich nicht mit Reformen zufrieden geben will.
Im zweiten Teil der Reihe „Konkrete Utopien einer lebenswerten Welt“ wollen wir gemeinsam eine kritische Analyse der Institution Polizei wagen, um anschließend notwendige Reformen und soziale Alternativen auf dem Weg zu sozialer Gerechtigkeit und gesellschaftlichem Frieden zu diskutieren.
5) Vortrag mit Prof. Dr. Sören Kliem (EAH Jena): "Defund the police/ fund the community" [03/02/2022]
Polizeiarbeit sieht sich in den letzten Jahren zunehmend auch öffentlicher Kritik ausgesetzt. In Folge wiederholter rassistisch-motivierter Tötungsdelikte durch Polizeikräften (insbesondere im US-Amerikanischen Raum) wurde die Forderung laut, die Organisation der Polizei hinsichtlich der ihr eingeräumten Kompetenzen und fiskalischen Mittel stärker einzuschränken (defund the police) bzw. gänzlich abzuschaffen (abolish the police). Dieser Vortrag versucht sich an einer Einordnung dieser Debatte und entwickelt Vorschläge zu sinnvollen, strukturellen Veränderungen in der Organisation der Polizei.
6) Vortrag von Copwatch Leipzig - "Abolish the Police!" - Warum und was stattdessen? [07/02/2022]
"Täglich neue Meldungen von rechtsextremen Chatgruppen in der Polizei, verschwundener Munition, Polizeigewalt oder Tode im Polizeigewahrsam lassen ernsthafte Zweifel aufkommen, ob diese Institution überhaupt noch reformierbar ist.
Wir wollen die aktuellen Aufgaben und Ressourcen der Polizei analysieren und folgende und andere Fragen diskutieren: Was bliebe überhaupt noch an Aufgaben übrig, würde man die meiste “Kriminalität” als Ausdruck sozialer Probleme begreifen und an deren Ursache ansetzen würde, statt die Menschen mit Kontrolle und Bestrafung zu bekämpfen? Was müssen wir in unserer Gesellschaft, in Nachbar*innenschaften und Communities tun, um “Sicherheit” und “Gerechtigkeit” auf andere Weise als durch Polizei herzustellen und sie so überflüssig zu machen?"
17/02/2022 + 03/03/2022 in Präsenz
im Café Wagner nur mit Anmeldung (2G und Maske)
Anmeldung: kontakt@freiraumjenaev.de
7) Vortrag mit GG/BO Jena und „Criminals for Freedom“ – Das System Knast und der Fall Ferhat Mayouf [17/02/2022]
Im ersten Teil wird die GG/BO-Soligruppe Jena eine kritische Perspektive auf das Gefängnis allgemein entwickeln – als Ort der Klassenunterdrückung und Ausbeutung sowie als totale Institution der Überwachung, Zurichtung und Bestrafung. Das wird sie an Beispielen aus dem Thüringer Strafvollzug anschaulich machen.
Im zweiten Teil werden die Criminals for Freedom aus Berlin über die Todesumstände von Ferhat Mayouf berichten. Er starb am 23. Juni 2020 in seiner Zelle in der JVA Moabit: Die Schließer griffen mehrere Minuten lang nicht ein, als es in seiner Zelle brannte. Während er verzweifelt um Hilfe schrie, öffneten Sie die Zellentür nicht und ließen ihn so ersticken und sterben. Mitgefangene, die der Öffentlichkeit davon berichteten, wurden daraufhin drangsaliert.
Vor Ort wird es einen Tisch mit Büchern und Broschüren zum Thema geben. Die Referent:innen werden auch im Anschluss an die Veranstaltung zu Gesprächen zur Verfügung stehen und freuen sich auf Austausch.
8) Workshop mit ignite! „Gerechtigkeit jenseits von Justiz, Polizei und Gefängnis: Transformative Gerechtigkeit“ [03/03/2022]
Warum reden wir in unseren Zusammenhängen eigentlich so viel davon, dass wir die Polizei ablehnen und rufen sie dann doch immer wieder an? Oder sind komplett ratlos, wie wir ohne sie agieren sollen? Und warum haben wir auch nach all den Jahrzehnten feministischer Kämpfe immer noch keine etablierten Konzepte zum Umgang mit zwischenmenschlicher Gewalt?
Wir halten es für unabdingbar, unsere theoretische Ablehnung von Polizei und Patriarchat nicht nur als Stickermotive zu verwenden, sondern auch eine Praxis zu entwickeln, die Alternativen sucht und erarbeitet. Wir wollen sowohl einen Umgang mit Gewalt in unseren Zusammenhängen finden, der nicht auf den Prinzipien von Straflogik und staatlicher Gewalt beruht, als auch Verantwortung übernehmen für die Umstände, die auch in emanzipatorischen Gemeinschaften zwischenmenschliche Gewalt ermöglichen. Wir sehen zwischenmenschliche Gewalt nicht als Ausdruck von Krankheit oder Bösartigkeit, sondern als sozial, also gesellschaftlich gemacht.
Die Gesellschaft, in der wir leben, ist zutiefst durchzogen von Herrschaft, Strafe und Gewalt. Wenn wir (sexualisierte) Gewalt in unseren Räumen, Gruppen und Beziehungen beenden wollen, können wir die Augen vor diesen Herrschaftsverhältnissen nicht verschließen. Daher wollen wir in diesem Workshop mit einigen Überlegungen zu den Zusammenhängen von Patriarchat (geschlechterbezogener Unterdrückung), Staat und Gewalt beginnen, die Logik des Strafens analysieren und schließlich alternative Konzepte zum Umgang mit Gewalt in unseren Gemeinschaften vorstellen.
Dabei wollen wir keinen Masterplan erklären, sondern mit Euch zusammen vorhandene Konzepte kennenlernen, Ideen und Erfahrungen austauschen und Euch anregen, Euch selbst Gedanken zum Thema zu machen. Wir wollen gemeinsam beginnen, in unseren eigenen Umfeldern daran zu arbeiten, zwischenmenschlicher Gewalt ohne den strafenden Staat begegnen zu können und auf Dauer nicht nur Feuerwehrpolitik zu machen, wenn es zu Übergriffen kam, sondern den Umständen, die diese gewaltvollen Verhältnisse erst ermöglichen, ein Ende zu setzen. Wir versuchen, in dem Workshop möglichst allgemeinverständliche Worte zu benutzen, und Fach- und Szenebegriffe zu erklären. Menschen ohne Vorwissen sind herzlich willkommen!